Der Einsatz von Videos als taktisches Tool für Viral-Campaigning
Für die Viralität eines Kampagnenvideos gibt es leider kein Geheimrezept, aber man kann einiges tun, um sich eine virale Verbreitung zu erarbeiten. Ein gutes Beispiel für Viral-Campaigning ist die Greenpeace-Kampagne #VWDarkside. Sie zeigt, wie viel Potenzial in einer gut durchdachten Kampagne mit dem Ziel eine Botschaft nachhaltig zu kommunizieren und Druck zur Veränderung zu erzeugen, stecken kann. Im aktuellen VW-Abgasskandal #dieselgate, wirft die Greenpeace-Parodie der Darth-Vader-Werbung von VW von 2011 nochmal ein ganz neues Licht auf den Autobauer. Diese zeigt einen kleinen Jungen im Darth Vader-Kostüm, der alltägliche Dinge mit Hilfe der „dunklen Macht“ zu lösen versucht. Die Story ist durchdacht, witzig und sehr gut auf die Zielgruppe von jungen Familien abgestimmt, die VW mit der Passatwerbung im Star Wars-Stil erreichen möchte. Der VW-Werbespot war 2011 der meistgeklickte Werbespot und die Origignalversion wurde allein auf Youtube bis heute rund 62 Millionen Mal angeklickt. Der Erfolg des Virals wurde von Greenpeace geschickt genutzt, indem die Organisation eine Parodie auf die VW-Werbung produzierte: Greenpeace ruft, ganz im Stil der berühmten Star-Wars-Filme, zur Rebellion gegen Darth Vader und VW auf. Das Greenpeace-Video fängt genau dort an, wo Volkswagens Werbetrailer aufhört: Mehrere Kinder in Star-Wars-Kostümen kämpfen gegen die dunkle Macht und rufen zur Rebellion gegen Volkswagen auf.
Die Umweltorganisation baute hierzu zusätzlich eine Landing Page #VWDarkside. Zentrales Element war das „Rebellionsmanifest“- einer Petition, die gegen hohen Kraftstoffverbrauch der VW-Modelle und gegen die Verharmlosung von Umwelt- und Gesundheitsfolgen durch den PKW-Hersteller unterzeichnet werden konnte. In einer Art Online Game konnten die Besucher der Website sich ein Star-Wars-Spielerprofil anlegen. Je aktiver ein User auf der Seite war, desto höher war die Punktzahl, die er sich so erarbeitete und desto heller wurde das „Aktivitäts-Lichtschwert“. Wenn sich neue User auf die Seite der Rebellen schlugen und die Petition unterschrieben, wurden sie durch ein zweites Video belohnt. Über 500.000 „Rebellen“ sammelte Greenpeace auf diese Weise auf der Landingpage.
Die große Anzahl an Rebellen und Aktionen auf der Straße und Aktionen im Netz erhöhten den Druck auf VW so, dass der Autobauer schließlich 2013 bekannt gab, den CO2-Ausstoß seiner Neuwagenflotte stärker zu verringern, als bisher vorgesehen. Angesichts des aktuellen Abgasskandals wird der Greenpeace Adbusting-Spot der Kampagne erneut unter den Usern geteilt und unter dem Hashtag #vwdarkside weiter verbreitet.
"Die Viralität eines Kampagnenvideos lässt sich nicht planen, aber man kann einiges für seine Ausbreitung tun“, so Volker Gaßner, Kampagnenexperte der Campaigning Academy. „Wichtig ist eine gute Idee, die Botschaft muss auf den Punkt gebracht und Emotionen müssen geweckt werden. Die Relevanz des Themas und das richtige Momentum zur Veröffentlichung des Videos spielen eine weitere wesentliche Rolle“.
„Kampagnen dürfen Inhalte zuspitzen, die Fakten sollten aber stets überprüfbar sein, denn die Glaubwürdigkeit und der Vertrauensvorschuss von Unterstützern in Nichtregierungsorganisationen ist per se höher als in Unternehmen“, so Gaßner weiter. „NGOs verkaufen keine Produkte, sondern setzen sich für etwas ein, das für die Allgemeinheit wichtig ist: Menschenrechte, Tier- und Umweltschutz. Dieses Vertrauen hilft den NGOs ihre Botschaften zu platzieren. Der Meldung einer NGO wird mehr vertraut und sie wird schneller weitergeleitet als die Meldung eines Konzerns. Die Fans, Follower oder Unterstützer vertrauen auf die Richtigkeit der Information. Der Erhalt der Glaubwürdigkeit ist daher für alle NGOs sehr wichtig. Im Zeitalter der 140-Zeichen-Kommunikation gilt deshalb noch mehr, dass die Botschaften leicht verständlich sein müssen. Sie dürfen, wie im Fall des Greenpeace VW-Kampagne zugespitzt sein, einer Überprüfung der Fakten müssen sie aber stets standhalten.“
Ein gutes Beispiel für ein zu überspitztes Video ist die Anti-Pestizid- Kampagne von BUND. Dort zu sehen sind Kleinkinder, die in einem Acker in der Erde eingepflanzt scheinen und von einem Flugzeug mit Pestiziden übersprüht werden. Diese Kampagne sorgte aufgrund der drastischen Bilder für viel Aufmerksamkeit, aber auch Empörung. Die richtige Kritik am Pflanzenschutzmittel Glyphosat, büßte so an Authentizität ein. Die Umweltorganisation musste letztendlich das Video aus dem Netz nehmen, weil selbst die eigenen Unterstützer das Video für zu überspitzt hielten.
Für einen tieferen Einblick in die Thematik empfehlen wir:
Gaßner, V. (2013). Wie Nichtregierungsorganisationen die Erregungspotentiale des Web zum Erreichen politischer Ziele nutzen. In: T. Schulz (Hrsg.), Krisenkommunikation (S. 283ff.). Berlin: prismus communications.
Gaßner, V. (2013). Die Greenpeace Detox-Kampagne. In: M. Kruse-Wiegand & A. Busse (Hrsg.), Wir machen dieses Social Media: Erfahrungsberichte, Tipps & Tricks von Social Media-Profis (S. 173ff.). Köln: O'Reilly.
Videokommentar Volker Gaßner ab Minute 19:49 im Programm „Einfach dagegen - Was bringt Protest im Netz?“ von EinsPlus des Klub Konkret