"Nicht über Betroffene sprechen, sondern Betroffenen eine Stimme geben" - Yussi Pick

Yussi Pick ist Kampagnenberater bei Pick & Barth Digital Strategies. Er lebte mehrere Jahre in den USA und arbeitete dort als Director for Online Strategies bei Blueprint Interactive, wo er Wahlkampagnen und NGOs im Bereich Online-PR, Online Organizing und Online Advocacy beriet. Im Interview mit der Campaigning Academy Berlin spricht Yussi Pick über den Unterschied zwischen europäischen und amerikanischen Wahlkämpfen und ein mögliches Duell Hillary Clinton gegen Jeb Bush um das Weiße Haus. Außerdem gibt er fünf Tipps, die jeder Politiker für einen erfolgreichen Wahlkampf beachten sollten.  

Volker Gaßner: Yussi, du arbeitst seit Jahren als Kommunikations- und Kampagnenberater in Wien und Washington, DC. Was reizt dich an der Kampagnenarbeit?

Yussi Pick: Der Moment, wenn ambitionierte Ziele aufgrund von dir geplanten Strategien greifbar werden.

Volker Gaßner: Was unterscheidet amerikanische von europäischen Wahlkämpfen?

Yussi Pick: Der wohl anschaulichste Unterschied ist, dass es in den USA in der Zielgruppenansprache für jeden einzelnen Kanal eine eigene professionalisierte Agentur gibt: Egal ob Flugzettel, Anrufe, Fernsehwerbung, Online oder Door-to-door, jeder dieser Kommunikationswege ist mit eigenen Beratern spezialisiert. Die Rahmenbedingungen sind also völlig andere und Strategie lässt sich nicht 1:1 kopieren. Trotzdem gibt es einige Dinge, die man hierzulande aus amerikanischen Wahlkämpfen lernen kann und Taktiken, die man zwar nicht kopieren, aber übersetzen kann.

Volker Gaßner: Hillary Clinton wird mit großer Wahrscheinlichkeit die nächste Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Würdest du sie gerne im Wahlkampf unterstützen? Wo liegen ihre Stärken, und wo ihre Schwächen?

Yussi Pick: Ein US-Präsidentschaftswahlkampf ist natürlich die Königsdisziplin für jede/n CampaignerIn. Ihre größte Stärke ist gleichzeitig eine Gefahr: The Clinton Machine. Sie ist eine extrem professionelle Wahlkämpferin, was manchmal als arrogant und unpersönlich wahrgenommen wird. Clinton Machine spielt auch auf das System Clinton an: Die alten (Geldgeber) Netzwerke der beiden Clintons, das Selbstverständnis mit dem sie sich als nächste Präsidentin sieht und wie sehr sie als Washington-Insiderin gilt. Das Schlimmste, was Hilary Clinton passieren kann ist, wenn die RepublikanerInnen Georg Bush’ Bruder Jeb aufstellen. Dann wird es mit einem medialen Narrativ Bush vs. Clinton schwer möglich werden, sich als Kandidatin der Zukunft zu präsentieren.

Volker Gaßner: Was können europäische von amerikanischen Politikern lernen?

Yussi Pick: In einer Kampagne gibt es drei Ressourcen: Zeit, Geld, Menschen. Amerikanische Kampagnen sind wesentlich erpichter, diese Ressourcen mit einem möglichst hohen Wirkungsgrad ohne großen Streuverlust - etwa bei Zielgruppenansprache - einzusetzen.

Volker Gaßner: Kannst du uns fünf Tipps geben, was müssen Politiker beachten sollten, damit ihr Wahlkampf erfolgreich wird?

Yussi Pick: Es versteht sich von selbst, dass es nicht eine Gewinn-Formel für Kampagnen gibt. Aber in der Online-Mobilisierung gibt es ein paar Regeln, die einen Wahlkampf erfolgreich machen:

  • Don’t be lame: Das war das oberste Motto der Obama Online-Kampagne. Politische Botschaften nicht als schnöde Phrasen senden, sondern kreativ verpacken, ist eine hohe Kunst.
  • Sei Teil der Konversation: Zu viele Organisationen kommunizieren noch immer nur jene Botschaften, die sie gesendet haben möchten, anstatt manchmal auch einfach Teil einer Diskussion zu werden und über jene Themen zu sprechen, die die Menschen bewegen.
  • Supporter Journey: Europäische Organisationen verwandeln noch viel zu wenig Online-Likes/Follower/Fans in Offline-UnterstützerInnen. Das kann gelingen, indem man Online UnterstützerInnen auf eine “Reise" schickt, die Hürde der Calls to Action langsam anhebt.
  • Storytelling: Nicht über Betroffene sprechen, sondern Betroffenen eine Stimme geben und politische Positionen mit persönlichen Geschichten zu argumentieren.
  • Use the Long Tail: Klar sind die meisten Menschen auf Facebook und (zumindest JournalistInnen) auf Twitter, aber in weniger beachteten Nischenkanäle - etwa Foren, spezialisierte oder neue, aufkommende Networks - findet man oft mehr Aufmerksamkeit und eine involviertere Zielgruppe. Und ein gutes Emailprogramm - kein Newsletter, sondern solide Action Alters gehört auch zu diesen unbeachteten Kanälen.