Wahlkampf mit Tinder - Wie die Politik die Dating-App entdeckt
To swipe or not to swipe
Bereits im März hat Tinder eine Funktion namens "Swipe the Vote" ausprobiert, die Nutzern in den USA helfen sollte, ihre Meinung mit jener der US-Präsidentschaftskandidaten abzugleichen. Jetzt ist diese Funktion auch in Deutschland verfügbar.
Dabei wurden die typischen Wisch-Aussagen nach links (stimme nicht zu) oder rechts (stimme zu) genutzt, um am Ende mit dem passendsten Kandidaten "gematcht" zu werden.
It´s a match!
Jeden Tag sind auf Tinder, der Dating- App, über 50 Millionen User unterwegs, um bis zu 1.6 Milliarden Profile “durchzuwischen". Die App hat dabei schon längst das Interesse der Marketing-Szene geweckt. Sixt und Domino's Pizza warben beispielsweise schon auf der Plattform im Guerilla-Stil, obwohl offizielle Werbeflächen für die App nicht angeboten werden
Die Zahlen
Tinder gewinnt durch seine geniale Einfachheit des "recht und links -Wischens" nun immer stärker die Herzen der Werbemacher. Statt ein Single-Profil zur Schau zur stellen, erstellt der Marketer ganz klar ein Profil für ein Produkt oder Service. Denn die Zahlen sind verlockend: Theoretisch könnten 50 Millionen User weltweit das Produkt zu Gesicht bekommen und so lange anschauen müssen, bis sie sich entschieden haben, ob sie es nach rechts oder links schieben. Auch das Argument der Zielgruppe spricht für sich: 85% der Tinder- User sind zwischen 18 und 34, eine interessante Zielgruppe für Marketing, durch Tinder könnten sich Kampagnenstrategen zu diesen „Millenials“ einen direkten Zugang verschafften.
Tinder für Werbekampagnen
Zunächst gibt es noch nicht allzu viele Unternehmen, die auf Tinder werben, daher ist die Toleranz, sich mit einem Werbeprofil auseinanderzusetzen noch recht hoch. Außerdem ist die Plattform des Fake-Profils eine gute Strategie, sich für einen Moment die ungeteilte Aufmerksamkeit des Users auf dem vollen mobilen Bildschirm zu sichern- dieser kann erst nach dem rechts oder links wischen, die Ansicht beenden.
So ist die Informationsaufnahme fokussierter, als bei allen anderen großen Plattformen. Werbung Mit einem smarten Ansatz hat Domino´s Pizza UK passend zum Valentinstag eine Offensive gestartet. Getreu dem Motto „Unsere Pizza gibt dir keinen Korb“ soll die Kampagne über 230.000 Tinder-User erreicht haben. Die Marke lockte Tinder User mit Pizza-Gutscheinne, wenn diese rechts wischten. Ausgewählte Unterhaltungen mit den Usern wurden außerdem mit Vergünstigungen belohnt. Mit über 700 Matches und einer potenziellen sozialen Reichweite von mehr als 200,000 Usern war dies eine äußerst erfolgreiche Kampagne. Der Grund für den Erfolg und die gute Annahme der offensichtlichen Werbeaktion lag im perfekt ausgenutzten Momentum: Der Inhalt der Domino´s Kampagne passte Thematisch 1:1 auf den Valentinstag, außerdem war das Profilbild klar und der Sinn dahinter eindeutig gewählt- der eindeutige call to action hielt außerdem eine Belohnung für die User bereit- die Entscheidung, nach rechts zu wischen, fiel daher entsprechend leicht.
In Deutschland war Sixt eines der ersten Unternehmen, das sich an die App Tinder gewagt hat. Ende 2014 lancierte das Unternehmen den Aufruf „Abschleppdienst“ auf Tinder. Der Autovermieter ist schon bekannt für seine kreativen und oftmals gewagten Werbebotschaften im Netz. Hierbei hat sich das Unternehmen doch noch selber unterboten: In München und Umgebung lud das Unternehmen ein Fake-Profil einer blonden Mitarbeiterin hoch, die mit eindeutig flachem Wortwitz die App-Benutzer auf die Dienste der Autovermietung aufmerksam machen sollte. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten.
"Tindern" für NGOS
Neben diesen reinen Produktkampagnen, gibt es auch ernsthafte Offensiven auf Tinder. Social Media ist ein demokratisierend wirkendes Werkzeug, dass helfen kann, bewegende Botschaften zu triggern und so Menschen von wichtigen Inhalten zu überzeugen. Gerade für NGOS ist es oftmals schwierig, mit knappen Budget eine große Social Media-Kampagne hochzufahren, und großen Konkurrenten entgegenzustehen. Dennoch sind die sozialen Netzwerke essentiell, um Botschaften zu generieren, Unterstützer zu mobilisieren und die eigene Reichweite und den Einfluss zu erhöhen. Genau deswegen ist es wichtig, den Blick über Facebook und Twitter zu weiten, und sich auf die kleineren Plattformen zu konzentrieren. Nischen Plattformen wie Instagram, Pinterest und eben Tinder können hier communities mobilisieren, die genau empfänglich für den Kern des call-to-action der Kampagne sind. So haben zum Beispiel Amnesty International Australia oder auch die Einwanderungsbehörde von Irland die Dating-App enutzt um in Australien auf das Thema Zwangsheirat aufmerksam zu machen und in Irland auf Menschenhandel hinzuweisen. Bei beiden Aktionen wird davon ausgegangen, dass es sich um offizielle Kooperationen handelt, die in Zusammenarbeit mit Tinder entstanden sind – im Gegensatz zu den Guerilla-Aktionen von Sixt oder Domino’s UK.
Tinder Kampganen müssen nicht immer anzüglich und oberflächlich sein: Amnesty International beweist, was es bedeutet, für ein wichtiges soziales Thema zu sensibiliseren und über die Dating-App zu enttabuisieren und informieren. Das Thema Zwangsheirat als Kampagne auf Tinder zu launchen ist mutig genug- aber auch hier haben sich die Kampagnenstrategen genauestens ein Momentum überlegt: das alles wurde am International Women’s Day initieert. Profilbilder wurden hierfür mit herunterzuladenden Bildern ersetzt, die aufzeigten, dass unterdrückte Frauen weltweit nicht die gleiche Change haben, ein selbstbestimmtes Lebens zu führen und die Entscheidungen zu treffen, die für uns natürlich gegeben scheinen. Sei es ein lapidares Wischen nach rechts oder links. Die Einwanderungsbehörde von Irland hingegen, benutze Tinder, um auf die 2,4 Millionen Opfer von Menschenhandel weltweit aufmerksam zu machen. Die App-User konnten auf dem Profil eine Bilderserie anschauen, auf der eine Frau optisch zunehmend misshandelter aussah. Danach kam der claim: Deine Optionen sind rechts oder links, die Frauen, die in Irland zur Prostitution gezwungen werden, haben keine. Wichtig jedoch ist, dass ein Kampagne, die mit Tinder werben möchte, in den Context der App passt- Amnesty Internationals Kampagne stellt genau die Verbindung her zwischen den Tinder-Usern, die aus einer Fülle an Angebot ihr Date wählen können, im Vergleich zum negierten Recht vieler Frauen und Mädchen auf dieser Welt, eine Entscheidung bezüglich ihres Liebeslebens überhaupt treffen zu dürfen.
Tinder wird zum Wahlomat
Beim Online-Wahlkampf geht es insbesondere darum, in jene Netzwerke zu gehen, in denen sich die Zielgruppe vorzugsweise aufhält. Glücklicherweise hat Tinder nun offiziell gemacht, ein Feature bereit zu stellen, dass Usern helfen soll, die Entscheidung zu erleichtern, für welchen Kandidaten sie beim US-Wahlkampf stimmen werden, Das neue Feature soll eine Art Videokarten bereitstellen, die auftauchen, während mal durch die App wischt, und die jede für sich ein unterschiedlichen Themengebiet der Parteiprogramme und zusätzliche Information generieren. So sollen sie auf einfach Weise mit einer Wischgeste nach links oder rechts ihre Einstellung zu den Thematiken zeigen. Wenn alle Themenkarten bearbeitet wurden, zeigt Tinder ihnen, welcher Kandidat am besten ihrer politischen Einstellungen entspricht. Das Unternehmen hat sich für dieses Feature von den eigenen Usern inspiriere n lassen: Die App wird im Rahmen der US-elections immer öfter auch dazu benutzt, politische Einstellungen mit den Matches zu teilen. So wurden vor Kurzen sogar zwei Frauen gesperrt, weil sie zu viele befürwortende Kampagnenbotschaften für den Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders schickten.