"Der Staat sieht bei Greenwashing zu oft weg" - Daniel Hufeisen, Deutsche Umwelthilfe
Im Interview mit der Campaigning Academy erklärt Daniel Hufeisen, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Deutschen Umwelthilfe, was Kampagnen benötigen, um Verbraucher für Umweltthemen zu sensibilisieren, und zeigt am Beispiel der Kampagne gegen Plastiktüten, wie die Deutsche Umwelthilfe solche Kampagnen konzipiert.
Volker Gaßner: An welchen Themen arbeitet ihr als Deutsche Umwelthilfe zurzeit?
Daniel Hufeisen: Wir werden im Frühjahr mit unserer Kampagne www.spritfrust.de gegen die Mogelei der Autobauer bei den Kraftstoffverbrauchsangaben vorgehen. Dabei wollen wir Verbraucher bei Musterklagen unterstützen, um die Hersteller zu zwingen, zukünftig korrekte Angaben zu machen. Darüber hinaus klären wir über die energetische Gebäudesanierung als wichtige Säule der Energiewende auf. Immerhin ist allein der Gebäudebereich in Deutschland verantwortlich für knapp 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa ein Drittel der CO2-Emissionen. Wir werden uns auch weiterhin für das umweltfreundliche Mehrwegsystem stark machen und gegen die Ressourcenverschwendung durch „Einwegprodukte“ in Form von Plastiktüte, Wegwerfbecher und Kaffeekapseln kämpfen. Und wir werden uns als ökologische Verbraucherschutzorganisation verstärkt dafür einsetzen, dass geltendes Umweltrecht nicht umgangen wird.
Volker Gaßner: Was war in den letzten Jahren eure erfolgreichste Kampagne bzw. das erfolgreichste Projekt?
Daniel Hufeisen: Eines der Highlights unserer Arbeit war und ist die Kampagne www.kommtnichtindietuete.de, mit der wir den Verbrauch umweltschädlicher Einweg-Plastiktüten verringern möchten. Neben Tütentauschtagen, bei denen wir Verbraucher über die Problematik aufgeklärt haben, haben wir am 20. September 2014 auf dem Tempelhofer Feld in Berlin gemeinsam mit der Stiftung Naturschutz Berlin, der Berliner Stadtreinigung und über 3.000 Berlinern und Berlinern die längste Plastiktütenkette der Welt gebildet, um auf die Tütenflut aufmerksam zu machen. Und mit der Studentin Stefanie Albrecht konnten wir über 100.000 Stimmen für eine Umweltabgabe auf Plastiktüten sammeln, die wir Ende Januar 2015 dem Bundesumweltministerium übergeben werden.
Volker Gaßner: Welche "Zutaten" braucht eine Kampagne aus deiner Sicht, damit sie erfolgreich werden kann?
Daniel Hufeisen: Eine gute Kampagne braucht ein festes Ziel, eine gute Geschichte, eine klare Dramaturgie und vor allem starke Bilder. Das ist bei manchen Umweltthemen gar nicht so einfach. Wenn es aber gelingt, den Verbraucher mitzunehmen, er das Gefühl hat, in seiner Lebenswelt auf ein Problem aufmerksam gemacht zu werden, das ihn ebenfalls stört, dann erfährt die Kampagne Zustimmung. Ohne Unterstützung bewirkt sie wenig. Das betrifft auch die Medien. Wer nicht sichtbar ist, findet nicht statt. Wenn die Kampagne Breitenwirkung entfaltet durch klare Botschaften, emotionale Bilder und gehaltvolle Informationen, dann wird sie erfolgreich.
Volker Gaßner: Was sind sie größten Herausforderungen für euch als DUH für dieses und die kommenden Jahre?
Daniel Hufeisen: Dass der Staat bei Greenwashing und gezielter Verbrauchertäuschung durch die Industrie noch zu oft wegsieht, ist ein großes Problem. Als klageberechtigter Verbraucherschutzverband werden wir uns deshalb weiterhin gegen Ökoschwindeleien einsetzen. Da ist noch viel zu tun. Denn die Behörden kontrollieren kaum oder gar nicht. Das betrifft die Energieverbrauchkennzeichnung bei Elektrogeräten genauso wie bei Pkw, aber auch den Schutz der Umweltzonen vor Autos, die aufgrund ihrer hohen Emissionen dort längst nichts mehr zu suchen haben. Die Deutsche Umwelthilfe wird sich auch verstärkt für mehr Wildnis einsetzen wie beispielsweise am Stettiner Haff. Wir engagieren uns seit vielen Jahren für den Erhalt des Mehrwegsystems und beobachten mit Sorge wie viele Produkte zu Einweg werden. Das verschwendet wertvolle Ressourcen und bedeutet eine erhebliche Belastung für die Umwelt. Die breite Unterstützung unserer Kampagne gegen Plastiktüten hat gezeigt, dass die DUH den Nerv der Zeit getroffen hat. Deshalb werden wir 2015 weitermachen und der Ex-und-hopp-Industrie weiter die Stirn bieten.
Volker Gaßner: Bei welcher Kampagnen sollten sich unsere Leser momentan bei euch beteiligen?
Daniel Hufeisen: Wer sich schon mal gefragt hat, warum sein Auto mehr verbraucht als der Hersteller versprochen hat, der kann uns auf www.spritfrust.de unterstützen und sich dort über die Problematik informieren. Fakt ist, dass die offiziellen Verbrauchsangaben seit einigen Jahren immer stärker von den realen Verbräuchen abweichen und bei einzelnen Modellen einen Mehrverbrauch von 40 Prozent erreichen. Und das belastet nicht nur den Geldbeutel, sondern schadet auch der Umwelt. Und wer ein altes Mobiltelefon abzugeben hat, kann das auf www.handysfuerdieumwelt.de tun, damit es wieder fit gemacht und weiter benutzt werden kann oder recycelt wird. Unfassbar aber wahr: In Deutschlands Schubladen schlummern über 120 Millionen ungenutzte Mobiltelefone, in denen wertvolle Edelmetalle erhalten sind.