"Ohne Crowd kein Crowdsourcing" - Bastian Unterberg, Gründer von jovoto, im Interview

Im Interview mit der Campaigning Academy Berlin spricht Bastian Unterberg, Gründer des Crowdsourcing-Portals jovoto, über die Erfolgsfaktoren von Crowdsourcing und die Idee hinter jovoto. Unterberg nimmt auch Stellung zur sozialen Verantwortung von Crowdsourcing-Anbietern und erklärt, wie manche Crowdsourcing-Projekte zum Boomerang für Organisationen geworden sind.

Volker Gaßner: Über erfolgreiche Crowdfunding Projekte wurde in den letzten beiden Jahren viel geschrieben. Zum Thema Crowdsourcing findet man weniger Artikel, ‎Wie bekannt ist Crowdsourcing in Deutschland?

Bastian Unterberg: Der dem Crowdsourcing zugrundeliegende Prozess, nämlich interne Aufgaben an eine unbekannte Sammlung externer Kräfte Arbeitenden auszulagern, ist schon seit dem Mittelalter nachgewiesene Praxis. Jedoch hat dieser Prozess erst im erst mit dem Einzug des Internets und einer vernetzen Gesellschaft eine Dimension erreicht, die einen nachhaltigen Wandel abzeichnen lässt. Heute efreut sich der Begriff Crowdsourcing im Design-, Kommunikations- und Marketingumfeld bereits einer hoher Bekanntheit. Dies ist nicht verwunderlich, denn viele erfolgreiche Beispiele in diesem Kontext haben aufgezeigt, das Kommunikation, gestützt durch Crowdsourcing-Methoden, beachtliche Reichweiten erzielen kann und Millionen von Menschen involviert.

Das Crowdsourcing, als From der Arbeitsorganisation zunehmend bei Gewerkschaften und Politikern auf die Agenda rückt, zeigt, dass wir uns einem produktiven Plateau nähern. Gewerkschaften sehen einen neuen Trend, der eine Bedrohung für den einzelnen Arbeitenden darstellt, dessen Standpunkt in der Masse der Arbeitswilligen deutlich geschächt werden kann. Ob allerdings Crowdsourcing prekäre Arbeitsmodelle fördert oder nachhaltige Rahmenbedingungen schafft, sollte immer im Einzelfall betrachtet werden.

Nur allzu häufig werden wir mit jovoto in die gleiche Schublade eingeordnet, dabei machen wir vor, wie man mittels Crowdsourcing einen Win-Win für Arbeitgeber und natürlich auch zum Vorteil der Arbeitenden organisiert und weiterdenkt.

Volker Gaßner: Wann empfiehlt es sich für eine Firma oder eine NGO einen solchen Prozess für sich zu nutzen? Welche Voraussetzungen sind nötig, um einen solchen Prozess erfolgreich zu gestalten?

Bastian Unterberg: Je relevanter das eigene Thema für die breite Gesellschaft ist, desto eher eignet sich Crowdsourcing als Kommunikationsmethode, um Aufmerksamkeit und Involvement zu schaffen. Gerade deshalb ist Crowdsourcing für NGOs im Campaigning-KOntext ein Werkzeug, was zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Bei jovoto haben wir in den vergangenen Jahren viel Erfahrung mit vielen NGOs, Stiftungen oder CSR Abteilungen in großen Konzernen gesammelt, um schnell abzuschätzen wann der Einsatz der Crowd sinnvoll und zielführend ist und wann man vielleicht doch besser auch klassische Methoden zurückgreift.

Besonders eignet sich Crowdsourcing, wenn es eine Geschichte zum Thema gibt, mit der sich möglichst viele Menschen identifizieren können. So bringen sich nicht nur die ein, die über Ihre Erfahrung, Ihr Talent und Ihr Zeit aktiv Lösungen generieren, sondern eine Vielzahl Anderer, die dann das Thema kommunizieren, Lösungen in den sozialen Medien teilen oder über Ihr Feedback helfen die Lösungen noch zu verbessern. Diese kollaborative Atmosphäre schafft dann einen äußerst attraktive Basis für weiteres Campaigning.

Volker Gaßner: Wann ist ein Crowdsourcing Projekt für Dich erfolgreich, wann nicht?

Bastian Unterberg: Zunächst einmal muss es klare Ziele geben, ob nun Kommunikationsinteresse im Vordergrund steht oder ob es das Lösen einer konkreten Herausforderung oder Aufgabe primäres Ziel ist, wichtig ist, dass man eine klare Erwartungshaltung an die Crowd richtet und vor Allem keine Hidden Agenda verfolgt. Ist dies nicht der Fall, ist ein Misserfolg häufig vorprogrammiert.

Erfolgreich ist ein Projekt, wenn man reale Probleme angeht, wenn Lösungen mit vielen Köpfen gemeinsam über einen kollaborativen Prozess gedacht werden und es dann abschließend zum Transfer der Lösungen in die Praxis kommt. Wenn am Ende Probleme wirklich gelöst werden, kann man eindeutig beurteilen, ob der Crowdsourcing-Prozess erfolgreich war. Ist dies nicht der Fall beurteilt man das Ergebnis des Vorhabens auf sekundärer Ebene. Hier kann man dann Fragen wie, Wieviele Menschen haben wir erreicht?, Welche neuen Erkenntnisse haben wir gewonnen?, Haben wir einen Überblick an Ansätzen gewonnen, der uns hilft nun eine besser informierte Entscheidung zu treffen?, betrachten.

Volker Gaßner: Es gibt auch einiges Kritik an Crowdsourcing vor allem der Vorwurf der Ausbeutung steht vermehrt im Raum, wie geht ihr mit dieser Kritik um?

Bastian Unterberg: Wir haben eine soziale Verantwortung. Wenn wir innerhalb der Kreativwirtschaft als First Mover im deutschen/ europäischen Markt Crowdsourcing weiter vordenken wollen – und genau dies ist unser Ziel, dann müssen wir immer auch die Konsequenzen unserer Entwicklungen berücksichtigen, um unserer Verantwortung gerecht zu werden.

Dies gilt für uns als Unternehmen, aber auch für jeden Einzelnen. Damit jeder seine Entscheidungen mündig treffen kann, muss es eine Basis geben auf der man sich umfassend informieren kann. Dies ist z.B. ein Grundsatz von jovoto Projekten, so kennt Jeder die Projektkonditionen und kann selbst beurteilen, ob ein Projekt interessant genug ist, um darauf zu arbeiten oder ob nicht.

Unserem Modell spricht nicht den einfach zu ersetzenden Clickworker an, sondern kreative Köpfe, die uns und die von uns organisierten projekte kritisch betrachten. Uns ist daher klar, dass wir nur so erfolgreich sein können, wie die Menschen, die auf unserer Plattform arbeiten. Ohne die Crowd kein Crowdsourcing.

Die Motivationsmuster aber, um auf unserer Plattform zu arbeiten sind vielfältig, so wollen die Einen Zugang zu spannenden Aufgaben oder sich ersteinmal ein Netzwerk schaffen, Andere wollen sich erste Referenzen erarbeiten oder wollen über die Zusammenarbeit mit erfahrenen Top-Kreativen lernen und die eigenen Fähigkeiten verbessern. Es ist unsere Aufgabe eine sichere Umgebung zu schaffen, so verdienen z.B. Kreative immer mit, wenn Unternehmen aus den eigenen Ideen einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen und die Ideen vermarten wollen. Dafür, dass Unternehmen inspiriert werden, werden mit die höchsten Preisgelder ausgelobt, die es weltweit im Crowdsourcingkontext zu finden gibt. Darüber hinaus bietet wir den Menschen auf unserer Plattform viele Services von Abrechnunf, über Rechtberatung hin zu Versicherung.

Um zu einem nachhaltigen Arbeitsplatz für die besten Klöpfe auf unserer Plattform zu werden, haben wir aber den Anspruch in Zukunft gesicherte Einkommensperspektiven bieten, die attraktiver sind als die meisten Optionen, die Kreative heute im eigenen Umfeld finden. Was sich momentan noch im Test befindet hoffen wir schon bald breiter auszurollen.

Volker Gaßner: Was waren für dich die Highlights in den letzten Jahren? Bitte gerne mit Link!

Bastian Unterberg: Schön ist es zu erleben, wie die Zusammenarbeit mit Unternehmen wie Victorinox oder NGOs wie Greenpeace zu gemeinsamen Lernprozessen führt, die es dann schaffen Jahr für Jahr die Ergebnisse in Qualität und Wirkung zu steigern.

Ein anderes meiner Lieblingsprojekte ist das Johnny Cash Projekt.

Volker Gaßner: Gib unseren Lesern bitte drei Tipps, damit ihr Crowdsourcing Projekt erfolgreich wird.

Bastian Unterberg:

1. Je komplexer das Problem oder die Aufgabe, die es durch Crowdsourcing zu lösen gilt desto höher sind die Anforderungen an die Community. Es bietet sich daher an zu Beginn mit bereits bestehenden Communties zu arbeiten, in denen eine gemeinsame Kultur besteht und die Fähigkeiten zur Problemlösung bereits gebündelt sind. Die Kosten und die Zeit, die benötigt wird, um eine solche Community aufzubauen sind immens und rechnen sich häufig nicht.

2. One Off Crowdsourcing Aktionen, die als PR-Gig angelegt sind, erzielen häufig einen Boomerang-Effekt, der sich im Ergebnis eher nachteilig auswirkt. Deshalb ist es wichtig die Crowd als Partner zu betrachten und zu verstehen, warum es enttäuschend ist Partizipationsversprechen an die Crowd zu geben, die am Ende dann nicht eingehalten werden.

3. Tausende von Menschen in einem Crowdsourcing Prozess zu organisieren, kommt dem Management eines Flohzirkusses gleich. Damit die Atmosphäre positiv bleibt und die häufig extrem heterogene Schar der Beteiligten in eine Richtung arbeitet, ist es unerlässlich ausreichende Community Management Kapazitäten einzuplanen.