Kampagnenstrategie: Die Stadionmethode
Denken wir an Kampagnen, fallen uns spontan clevere und schöne Maßnahmen ein: Denken wir z.B. an Edeka mit dem Weihnachtsvideo #heimkommen und dem alten Mann, der uns Weihnachten 2015 zu Tränen rührte, als er seinen eigenen Tod vortäuschte, um die Familie für ein gemeinsames Familienfest zu versammeln, oder denken wir an die unzähligen ironischen und meist sehr lustigen Plakate der Firma Sixt, die immer einen sehr aktuellen Bezug zur Politik haben oder die kultigen Kampagnen der Berliner Verkehrsbetriebe, oder die auf Dynamik inszenierten Plakate der FDP (mit Christian Lindner als Macher, der in ganz Deutschland die Digitalisierung nach Vorne bringen möchte. Bei der Betrachtung von Maßnahmen vergessen wir meistens, dass wirkungsvolle Kampagnen einem Kampagnenplan mit einer ausgeklügelten Strategie folgen. Bei der Entwicklung einer Strategie geht es um weit mehr, als nur die Bestimmung von smarten Zielen und wirkmächtigen Maßnahmen. Bevor wir überhaupt an taktische Maßnahmen wie ein Video oder ein Plakat denken können, müssen wir eine Umfeldanalyse mit aktuellen Akteuren und Stakeholdern unserer Kampagne erstellen. Wir raten übrigens dringend dazu, das Umfeld immer wieder neu zu analysieren, denn die Akteure wechseln von Zeit zu Zeit oder sie verändern ihre politische oder/und persönliche Ziele. Die bekannteste Methode der Umfeldanalyse ist die Machtanalyse, die oft auch Gegneranalyse genannt wird (siehe Bild).
In dieser Matrix werden die Akteure nach ihrem Einfluss, als auch nach ihrer Einstellung zu unserem Ziel eingetragen. Unterstützer mit viel Einfluss tragen wir rechts oben, Gegner mit viel Einfluss links oben ein. Die Umfeldanalyse in ihrer klassischen Form wirft einen schnellen Blick auf die beteiligten Parteien in ihrer Kampagne, gleichzeitig ist der Einblick in das Umfeld sehr begrenzt. Aus diesem Grund haben wir diese Methode weiterentwickelt und unseren Blick vom Kampagnenumfeld in ein Stadion verlegt. Diese Art der Analysenmethode geht deutlich tiefer in das Kampagnenumfeld und deckt auch Player auf, die in der klassischen Methode meist verdeckt bleiben. Begeben wir uns daher einmal gedanklich in ein Fußballstadion. Was passiert dort genau? Es spielen zwei Mannschaften Fußball vor den Augen eines großen Publikums auf den Rängen, in der VIP-Lounge oder vor dem Laptop oder Fernseher. Die Mannschaften werden von ihren Fans angefeuert. Ihr Trainer gibt ihnen klare Anweisungen. Journalisten kommentieren das Spiel und schreiben Artikel. Und wie auf dem Fußballplatz spielen in der Politik zwei Parteien um die Deutungshoheit von Themen und Werten. Jeder möchte dabei seine politischen Vorstellungen auch umsetzen und wirbt bei den Wählern um Stimmen. Sie werden in politischen Fragen zu Gegnern. Mit dieser gedanklichen Vorstellung kommen wir wieder zurück zur Stadionmethode.
Wie auf dem Fußballplatz besteht die Aufgabe zunächst darin zwei Mannschaften zusammenzustellen, die um das Kampagnenthema spielen und gewinnen wollen. Das Thema könnte ein Gesetzentwurf sein, um das Klima besser zu schützen oder den Mindestlohn zu erhöhen. Dafür werden zunächst alle Namen der Spieler mit deren Funktion (z. B. Generalsekretär der CDU) und ihrer eigenen Motivation (z. B. Vorsitzender der CDU werden) aufgeschrieben. Die eigene Motivation für das Thema auf dem Platz zu stehen, spielt bei der Entwicklung der Kampagnenstrategie eine entscheidende Rolle. Als nächstes werden alle Personen im Stadion den passenden Positionen zugeordnet. Während dieser Methode schaffen folgende Fragen eine Orientierung:
„Wer spielt im Angriff?“ (Expertinnen, NGO-Campaigner, Oppositionspolitiker:innen)
„Wer spielt in der Verteidigung?“ (Finanzminister, Regierungsmitglieder)
„Wer sind die Trainer:innen?“ (z.B. Minister:innen, Fraktionschefs, Bundeskanzler)
„Wer sitzt in der Lounge?“ (Investmentfondsgesellschaften, Banken, Finanziers)
„Wer sind die Kommentator:innen?“ (Journalist:innen, Blogger:innen, YouTuber:innen)
„Wer sitzt in den jeweiligen Fanblocks?“ (Förderer, Unterstützer:innen, Freiwillige, NGOs)
Wenn jeder Spieler einen Platz auf dem Spielfeld und den Rängen im Stadion gefunden hat, wird die Strategie entwickelt. Wer spielt Wem den Ball zu? Wer hat die Chance den Ball ins Tor zu befördern? Wer hat die Macht jemanden anderen zu bewegen und Wen? WICHTIG: Ihr Team will als Sieger vom Platz gehen! Spannend ist auch die Frage: Was ist in dieser Fußballmetapher eigentlich der Ball?
Die Stadionmethode ist deutlich komplexer und arbeitsintensiver als die klassische Form der Umfeldanalyse. Gleichzeitig ist diese Methode bei der Entwicklung einer gemeinsamen Strategie in einem Team sehr hilfreich, weil sie den Diskurs über die Stakeholder der Kampagne befördert. In unseren Kampagnenworkshops hängen wir große, von uns entworfene, Stadien auf und die Teilnehmer:innen entwicklen im direkten Austausch im Team und unserer Anleitung unterschiedliche strategische Ansätze. Für eine komplexe Kampagne braucht man je nach Thema ca. 4-8 Stunden für die Strategie. Eine gut investierte Zeit! Durch die Methode kann man übrigens sehr gut Wissenslücken aufdecken: Wer ist zuständig für dieses Thema? Wer hat welche Position eingenommen? Wenn die Lücken durch gezielte Recherchen geschlossen werden, dann wird die Strategie um so mehr Wirkung entfalten können. Probiert es einmal aus! Wer die Strategieentwicklung unter unserer Anleitung kennenlernen möchte, den laden wir herzlich ein unsere Kampagnenworkshops zu besuchen. Wir freuen uns auf Sie! Workshop Kampagnenstrategie