Scientists For Future: Ein Interview mit Prof. Volker Quaschning.

Foto: volker-quaschning.de

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Seit Wochen demonstrieren Schülerinnen und Schüler bundesweit bei den Fridays For Future für mehr und besseren Klimaschutz. Sie gehen für ihre Zukunft auf die Straße. Nun bekommen sie renommierte Unterstützung aus der Wissenschaft, den Scientists For Future. In der in Deutschland, Österreich und der Schweiz veröffentlichten Stellungnahme der Wissenschaftler*innen heißt es: „Die Anliegen der demonstrierenden jungen Menschen sind berechtigt. Die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz reichen bei weitem nicht aus. Die junge Generation kann die Probleme nicht alleine lösen, sie braucht unsere Unterstützung“. Wir haben Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, zu dieser neuen Bewegung interviewt.

Volker, Du bist Wissenschaftler und einer der Köpfe der ScientistsForFuture. Was war für dich der zündende Moment, um sich zu Wort zu melden und zu beteiligen?

Ich fand es unerträglich, dass die Politik die FridaysForFuture-Bewegung permanent verniedlicht und disqualifiziert hat, statt die berechtigten Sorgen und Ängste der jungen Generation Ernst zu nehmen. Irgendwann war dann der Punkt erreicht, wo viele von uns gedacht haben: Stopp. Die jungen Menschen geben nur die Warnungen der Wissenschaft wieder und fordern die Politik auf, das gegebene Versprechen von Paris einzuhalten. Und wenn nicht mal das ernst genommen wird, müssen wir uns von der Wissenschaft zu Wort melden.

Innerhalb eines sehr kurzen Zeitraumes habt ihr 23.000 Wissenschaftler dazu bewegt, sich der Bewegung anzuschließen. Ein großartiger Erfolg! Wie ist es euch gelungen so viele Wissenschaftler*innen für euer Anliegen zu gewinnen? 

Die Aktion hat von den Aktiven zwar viel Engagement und Zeit beansprucht, das Einwerben von Unterschriften war aber ein echter Selbstläufer. Die Kolleginnen und Kollegen haben uns geradezu die Bude eingerannt, um unterschreiben zu können. Wir haben mit der Aktion offensichtlich den Nerv vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler getroffen.

Wir fordern das Einhalten des vom deutschen Bundestag einstimmig beschlossenen Pariser Klimaschutzabkommen.

Was sind eure Forderungen an die Politik?

Wir fordern das Einhalten des vom deutschen Bundestag einstimmig beschlossenen Pariser Klimaschutzabkommen. Dazu muss Deutschland möglichst noch vor 2040 klimaneutral werden. Die Verbrennung von Kohle sollte dazu bereits 2030 fast vollständig beendet sein, die Verbrennung von Erdöl und Erdgas gleichzeitig reduziert werden, bis alle fossilen Energieträger durch klima­neutrale Energiequellen ersetzt worden sind.

Einige Politiker werfen den Schüler*innen der FridaysForFuture vor, sie interessierten sich gar nicht für das Klima, sondern nur für einen freien Vormittag und beschimpfen sie als Schulzschwänzer. Was sagt ihr als Wissenschaftler und Eltern zu diesem Vorwurf?

Ich konnte mich mit einigen Schülerinnen und Schülern von FridaysForFuture austauschen und war begeistert, welches Fachwissen zum Klimaschutz und der Energiewende sie sich selbst angeeignet haben und mit welcher Zielstrebigkeit sie ihre Interessen verfolgen und die Aktionen organisieren. Da könnte sich manch ein Erwachsener etwas abschauen. Die Kompetenzen, die sie dabei erwerben wiegen allemal den versäumten Unterricht auf, zumal der sich nachholen lässt. Im übrigen sind die Interessen der Schülerinnen und Schüler ja mehr als berechtigt, es geht hierbei um ihre Existenz. Und Hand aufs Herz: Wer von den der Erwachsenen würde am Samstag Nachmittag streiken, auch wenn es dabei nur um eine banale Lohnerhöhung geht.

Ein anderer Vorwurf lautet, dass die Forderungen der FridaysForFuture- Bewegung zu radikal und zu einfach gedacht sind. Was ist an dem Vorwurf aus deiner Sicht dran?

Sind wir Erwachsenen nicht viel radikaler, indem wir die Existenz der jungen und der kommenden Generationen gefährden, nur damit wir unseren gewählten Lebensstil weiter rücksichtslos durchziehen können?

Seid ihr als Wissenschaftler im aktiven Dialog mit Parteien oder verantwortlichen Politiker*innen? Was kann eure Bewegung überhaupt erreichen?

Die Politik ist nach unserer Presseerklärung auf breiter Linie abgetaucht. Es gibt erste Gesprächsanfragen von den Grünen. Wir hoffen, dass die Politik und die Gesellschaft nun endlich in die ernsthafte Diskussion einsteigen, wie wir die Lebensgrundlagen der jungen Generation erfolgreich schützen können. Denn bislang hat keine im Bundestag vertretene Partei einen erkennbaren Plan, wie das Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten werden soll - auch nicht die Grünen.

Mit einem bisschen Mülltrennen ist es nicht getan.

Es wäre wahrscheinlich etwas zu einfach nur auf die Politik zu schauen. Welche Tipps gibst du uns Verbrauchern, was sollten wir besser machen, um unser Klima zu schützen?

Funktionierender Klimaschutz bedeutet, dass wir in spätestens 20 Jahren eine Energieversorgung ohne Kohle, Erdöl und Erdgas brauchen und eine andere Landwirtschaft mit deutlich reduziertem Fleischkonsum. Mit einem bisschen Mülltrennen ist dabei nicht getan. Wir müssen bereit sein, unsere Lebensstile radikal zu verändern. Urlaubsreisen mit dem Flieger und Kreuzfahrtschiffen, Rindersteaks oder unser ausufernder Konsum sollten ab jetzt zu den No-Gos zählen. Autos mit Verbrennungsmotoren, Öl- und Gasheizungen und Strom aus fossilen Kraftwerken müssen möglichst umgehend durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Jeder muss dazu das Nötige in seinem Umfeld beitragen und wir müssen auch bereit sein, für den Klimaschutz zu investieren. Es geht aber nicht nur um Verzichten. Am Ende werden wir durch den Wandel auch eine höhere Lebensqualität bekommen, die es allemal Wert ist, diesen radikalen Weg zu gehen.

In vielen Zeitungen wird schon spekuliert, dass die Bewegung in ein paar Wochen an Kraft verlieren wird. Wenn es so kommt, was bleibt von den Protesten? Was haben sie verändert?

Selbst wenn die Bewegung temporär an Schwung verlieren sollte, wird das nicht von langer Dauer sein. Die Probleme sind ja nicht gelöst und werden mit jedem Tag des Zögerns noch größer. Aber bereits jetzt hat die Bewegung viel erreicht. Sie hat deutlich gemacht, dass die alte Generation dabei ist, die Existenzgrundlagen der jungen Generation zu zerstören und dazu eine breite gesellschaftliche Diskussion angestoßen. Das ist enorm wichtig. Denn die junge Generation kann die Probleme nicht alleine lösen, sie braucht unsere Unterstützung und unsere Bereitschaft für Veränderungen.

Herzlichen Dank für das Interview!

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